„Schnaps im Wasserkessel“ & „Schock, schwere Not!“
Am 17.03.16 veröffentlicht Fastbreak Entertainment die beiden ostfriesischen Dokumentationen „Schnaps im Wasserkessel“ und „Schock, schwere Not!“, mit denen der aus dem Rheiderland stammende Regisseur und Autor Hans-Erich Viet den Menschen seiner Heimat ein Denkmal setzt. Der ältere Film, von 1991, war die Abschlussarbeit des Regisseurs an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Er wurde 1992 dafür mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. 
Im ostfriesischen Rheiderland wurde 1950 ein Amateurfilm über die Landarbeiter bei der Einbringung der Ernte gedreht. In den alten Dokumentaraufnahmen droschen die Arbeiter nach einer längst veralteten Methode Raps und wurden dafür anschließend mit Schnaps und Rosinenbrot entlohnt. Vierzig Jahre später verwendet Hans-Erich Viet einige dieser Bilder für seine Dokumentation „Schnaps im Wasserkessel“. Ästhetisch passt sich der in Farbe gedrehte 16mm-Film den alten Schwarzweiß-Aufnahmen an. Im Winter, bei grauem Licht, lässt er die Landarbeiter, Bauern, Knechte, Mägde , Schnaps- und Ziegelbrenner, Jäger und VW-Arbeiter im Original-Ton, im Rheiderländer Platt, zu Wort kommen. So entstand eine überaus genaue, lebendige Studie über die Lebens- und Arbeitsbedingungen dieser Menschen. Die Eintrittskarte in die guten Stuben der Einheimischen erhielt Hans-Erich Viet durch seine soziale Akzeptanz. Als Enkel eines ehemaligen Landarbeiters spricht er ihre Sprache. Unmittelbar, unverstellt und bescheiden, aber immer mit einem gewissen Schalk, akzeptieren sie den Regisseur als einen der ihren und gewähren tiefe, eindringliche, zum Teil sehr berührende Einblicke, die leise, lakonisch, manchmal lyrisch zu einem großen Ganzen verwoben sind.
Beide Filme eint das Rheiderländer Platt, das ausschließlich von den Protagonisten gesprochen wird und in beiden Filmen hochdeutsch untertitelt ist. „Schock, schwere Not!“ verlässt sich ganz auf bzw. erzählt sich allein über die O-Töne. Zentrales Thema ist die Sturmflut von 1962 im Rheiderland, bei der es fast zum Super-Gau gekommen wäre. Zwei Menschen starben damals. Die Zeitzeugen erinnern sich und stellen dem Filmemacher ihre privaten Super8-Filmaufnahmen zur Verfügung. Die stehen diesmal in einem starken Kontrast zu den 2012 eingefangenen Erinnerungen der Menschen an die Sturmflut, die allesamt unter einem strahlend blauen, friesischen Himmel eingefangen wurden.
„Das hat für mich einen unglaublichen Reiz ausgemacht. Jede Geschichte braucht seine spezielle Form“, erzählt der Filmemacher. „Man steht da auf dem Deich bei schönstem Sonnenschein und konzentriert sich auf eine Katastrophe, die allein im Kopf stattfindet.“
Auch bei dieser mehr als zweistündigen Eigenproduktion sind wieder die Rheiderländer selbst die eigentlichen Stars des Films. Durch ihre Erzählungen der noch glimpflich abgelaufenen Katastrophe erfahren wir Vieles aus ihrem sozialen Umfeld. Alle Beteiligten waren damals in ihren Zwanzigern oder jünger, es kommen auch Geschichten zutage über Mopeds und Roller, vereinzelte Fernseher in der Urform des Public Viewing, Tabak pflanzende Großväter, Hühner, die wild auf Stichlinge sind und alte Männer, die zur Not auch auf Bäume klettern. Ein breites Spektrum ostfriesischer Heimatgeschichte, mit angemessenem Humor erzählt.
Auf die Frage, was den Rheiderländer denn eigentlich ausmachen würde, antwortet Hans-Erich Viet etwas kryptisch: „Ja, der Rheiderländer ist schon eine spezielle Abteilung der Ostfriesen. Ich glaube, das kommt durch die Abgelegenheit, die Abgrenzung durch eine Art Halbinsel, der Ems, der Dollart und der Grenze zu Holland. Er ist geografisch getrennt vom Rest Ostfrieslands. Die Rheiderländer sind schon irgendwie „anders“, aber wie „anders“, weiß ich auch nicht so genau, bzw. ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Aber wer das wissen möchte, bekommt in den beiden Filmen vielleicht eine Antwort.“ Eine sehr unterhaltsame, muss an dieser Stelle noch hinzugefügt werden.
Wer das Glück hat, in oder um Hamburg zu leben, bekommt am 13.03.16 die einmalige Gelegenheit „Schnaps im Wasserkessel“ auf der großen Leinwand zu erleben. Das MAGAZIN-Filmkunsttheater Zeigt die Dokumentation ab 15.00 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs. Hans-Erich Viet ist ein großartiger Geschichtenerzähler und wird nach der Vorführung Fragen beantworten. Schnaps gibt es mit Sichheit auch und zwar nicht im Wasserkessel. Also, nichts wie hin!